
Der kleine Otter Oskar findet einen glitzernden Kieselstein, nennt ihn Glitzer und erlebt mit seinem neuen, stillen Freund lustige Abenteuer am Bach.
Oskar Otter war ein fröhlicher kleiner Kerl mit einem Fell so glänzend wie nasses Moos und Augen wie zwei blanke, dunkle Kieselsteine.
Er liebte den Bach, der sich durch den Wald schlängelte, mehr als alles andere auf der Welt.
Er liebte es, im kühlen Wasser zu planschen, Fische zu jagen (obwohl er sie selten erwischte) und auf seinem Rücken zu treiben, während er die Wolken beobachtete.
Eines sonnigen Nachmittags, als Oskar gerade versuchte, einen besonders rutschigen Frosch zu überlisten, der sich unter einem Seerosenblatt versteckte, blitzte etwas am Ufer auf.
Neugierig paddelte Oskar näher.
Es war kein Fisch und auch kein Frosch.
Es war ein Stein.
Aber nicht irgendein Stein.
Dieser Stein war wunderbar glatt geschliffen vom Wasser, lag perfekt in Oskars Pfote und hatte winzige, glitzernde Sprenkel, die im Sonnenlicht funkelten wie kleine Sterne.
„Oh!“, flüsterte Oskar und drehte den Stein vorsichtig hin und her.
„Du bist aber schön!“
Er hatte noch nie einen so besonderen Stein gesehen.
Er beschloss, ihn „Glitzer“ zu nennen.
Von diesem Moment an war Glitzer Oskars ständiger Begleiter.
Er nahm ihn mit zum Schwimmen, legte ihn neben sich, wenn er am Ufer ein Nickerchen machte, und erzählte ihm von seinen Abenteuern.
„Schau mal, Glitzer“, sagte er, während er versuchte, auf einem wackeligen Ast zu balancieren, „gleich falle ich ins Wasser!“
Und platsch, lag er drin.
Glitzer lag sicher am Ufer.
Oskar lachte.
„Hast du das gesehen? War lustig, oder?“
Glitzer antwortete natürlich nicht, aber das störte Oskar nicht.
Er war sich sicher, dass Glitzer ihm auf seine eigene, stille Weise zuhörte.
Eines Tages traf Oskar Berta Biber, die fleißig an ihrem Damm baute.
„Hallo Berta!“, rief Oskar fröhlich und hielt Glitzer hoch.
„Schau mal, das ist mein Freund Glitzer!“
Berta Biber blinzelte, einen Zweig im Maul.
„Ein… Stein?“, fragte sie kauend.
„Ja! Aber ein ganz besonderer! Er glitzert!“, erklärte Oskar stolz.
Berta nickte langsam.
„Aha. Schön für dich, Oskar. Aber pass auf, dass du ihn nicht verlierst, wenn du wieder Purzelbäume im Wasser schlägst.“
Sie knabberte weiter an ihrem Zweig.
Biber waren sehr praktisch veranlagt und konnten mit glitzernden Steinen nicht viel anfangen.
Später sah Oskar Gustav Graureiher, der wie eine Statue am Ufer stand und auf Fische lauerte.
„Hallo Gustav!“, flüsterte Oskar, um ihn nicht zu erschrecken.
„Rate mal, was ich habe?“
Gustav drehte langsam seinen langen Hals.
„Einen Stein?“, krächzte er, ohne den Blick vom Wasser zu nehmen.
„Woher weißt du das?“, fragte Oskar erstaunt.
„Berta hat es mir erzählt. Ein glitzernder Stein, der dein Freund ist“, sagte Gustav trocken.
„Ist er nicht toll?“, fragte Oskar und hielt Glitzer ins Licht.
Gustav seufzte leise.
„Sehr… steinig, Oskar. Pass lieber auf die Strömung auf.“
Oskar war ein bisschen enttäuscht, dass seine Freunde Glitzer nicht so faszinierend fanden wie er.
Aber das machte nichts.
Er mochte Glitzer trotzdem.
Am Nachmittag spielte Oskar am Wasserfall, wo das Wasser lustig über die Felsen plätscherte.
Er ließ Glitzer vorsichtig auf einem flachen Stein liegen, während er versuchte, hinter den Wasservorhang zu tauchen.
Als er wieder auftauchte, prustend und lachend, war Glitzer weg!
Die Strömung musste ihn mitgerissen haben!
„Glitzer!“, rief Oskar erschrocken.
Sein Herz klopfte schnell.
Er tauchte unter, seine Pfoten wühlten im Sand und zwischen den größeren Steinen am Grund des Baches.
Aber Glitzer war nirgends zu finden.
Die winzigen Glitzersprenkel halfen unter Wasser nicht viel.
Oskar wurde ganz traurig.
Er setzte sich ans Ufer, und eine kleine Träne kullerte über sein nasses Fell.
Plötzlich landete Gustav Graureiher neben ihm.
„Was ist los, kleiner Otter? Hast du deinen steinigen Freund verloren?“
Oskar nickte schluchzend.
„Er ist weg! Die Strömung hat ihn mitgenommen!“
Gustav schaute nachdenklich auf das Wasser.
Seine Augen waren viel schärfer als die von Oskar.
Er spähte konzentriert auf den Grund des Baches, dort, wo das Wasser etwas ruhiger floss.
„Warte mal…“, krächzte er.
„Dort, neben der alten Wurzel… da blitzt doch was.“
Oskar sprang auf und folgte Gustavs Blick.
Tatsächlich! Eingeklemmt zwischen Moos und einer dicken Wurzel lag Glitzer!
Schnell tauchte Oskar hinunter und holte seinen Schatz.
Er drückte den kühlen, glatten Stein fest an sich.
„Danke, Gustav! Tausend Dank!“, rief Oskar überglücklich.
Gustav Graureiher nickte würdevoll.
„Schon gut, Kleiner. Aber vielleicht solltest du ihm ein sichereres Plätzchen suchen.“
Oskar strahlte.
„Das werde ich!“
Er merkte, dass Glitzer zwar nicht reden oder helfen konnte, aber dass es ihm wichtig war, auf ihn aufzupassen.
Und er merkte auch, dass seine Freunde, auch wenn sie einen Stein für einen seltsamen Freund hielten, trotzdem für ihn da waren, als er traurig war.
Als die Sonne langsam unterging und den Himmel in warme Farben tauchte, machte sich Oskar auf den Weg zu seinem gemütlichen Bau unter den Wurzeln einer alten Weide.
Er trug Glitzer ganz vorsichtig.
In seinem Bau kuschelte er sich in sein weiches Nest aus trockenem Gras und Blättern.
Er legte Glitzer direkt neben seine Nase auf ein besonders weiches Moospolster.
„Gute Nacht, Glitzer“, flüsterte Oskar.
Der Stein glitzerte schwach im letzten Licht, das durch den Eingang fiel.
Oskar schloss die Augen.
Er lauschte dem leisen Plätschern des Baches draußen.
Er fühlte die kühle Glätte von Glitzer neben sich.
Es war beruhigend.
Auch wenn Glitzer nur ein Stein war, fühlte sich Oskar mit ihm sicher und geborgen.
Er kuschelte sich noch tiefer in sein Nest, den besonderen Kieselstein ganz nah bei sich, und schlief glücklich ein, während draußen die Sterne über dem Bach aufgingen.
Und wer weiß, vielleicht träumte er ja davon, wie er und Glitzer gemeinsam auf Sternschnuppen durch die Nacht sausten.