Paula Pfütze spiegelt die Schlaflichter

Paula Pfütze spiegelt die Schlaflichter

Paula Pfütze ist traurig, weil sie nachts nichts Schönes spiegeln kann. Doch dann entdeckt sie die bunten Schlaflichter in den Kinderzimmern!

Paula Pfütze ist keine gewöhnliche Pfütze. Sie spiegelt die Träume der Kinder wider und wird so zur Hüterin der Schlaflichter-Reflexionen.

Paula Pfütze war keine gewöhnliche Pfütze.

Oh nein, sie war viel mehr als nur eine Ansammlung von Regenwasser auf dem Bürgersteig der kleinen, ruhigen Ahornstraße.

Paula hatte eine Leidenschaft, eine Berufung, einen Lebenszweck: Sie spiegelte die Welt.

Tagsüber war das ganz nett. Sie zeigte die vorbeihuschenden Wolken, die tanzenden Blätter der großen Ahornbäume und manchmal, wenn ein Kind anhielt und hinunterschaute, ein verdutztes Gesicht mit großen Augen.

Aber Paulas wahre Lieblingszeit war die Nacht.

Dann wurde die Ahornstraße still, und der Himmel entfaltete seine Pracht.

Paula liebte es, den Mond zu spiegeln, diesen großen, silbernen Ball, der ihr Wasser in ein magisches Becken verwandelte.

Sie liebte die Sterne, die wie winzige Diamanten auf ihrer Oberfläche funkelten.

Und sie liebte das warme, gelbe Licht der alten Straßenlaterne am Ende der Straße, das ihr einen gemütlichen, goldenen Schimmer verlieh.

Doch an diesem Abend war alles anders.

Ein Sturm am Nachmittag hatte nicht nur Paula mit frischem Wasser gefüllt, sondern auch die alte Straßenlaterne außer Gefecht gesetzt. Sie blieb dunkel, ein trauriger Schatten ihrer selbst.

Und als wäre das nicht genug, hatten sich dicke, graue Wolken vor den Mond und die Sterne geschoben. Kein Silber, keine Diamanten, nur ein dumpfes Grau.

Paula seufzte tief, was für eine Pfütze bedeutete, dass ihre Oberfläche kurz erzitterte.

„Och nö“, murmelte sie leise vor sich hin. „Was soll ich denn jetzt spiegeln? Nur diesen langweiligen, grauen Himmel und die dunklen Hausfassaden? Das ist ja trostlos.“

Sie fühlte sich nutzlos und unsichtbar.

Eine Pfütze, die nichts Schönes spiegeln kann, ist doch wie ein Bäcker ohne Mehl, oder ein Vogel ohne Lied.

Gerade als Paula beschloss, sich einfach nur noch aufs Trocknen zu konzentrieren (was sowieso passieren würde, aber sie wollte es jetzt aktiv wollen), bemerkte sie etwas.

Ein kleines, warmes Licht erschien in einem der Fenster des Hauses direkt neben ihr.

Es war kein großes, helles Licht wie das von einer Wohnzimmerlampe. Es war klein, sanft und hatte einen warmen, orangenen Farbton.

„Hm?“, machte Paula. Ihre Neugier war geweckt.

Sie konzentrierte sich und versuchte, dieses kleine Licht auf ihrer Oberfläche einzufangen.

Es gelang! Ein winziger, oranger Punkt tanzte nun auf ihrem Wasser.

Kurz darauf erschien ein weiteres Licht in einem anderen Fenster. Dieses war blau und hatte die Form… ja, war das eine Rakete?

Paula staunte. Eine blaue Rakete schwamm nun neben dem orangen Punkt.

Und dann ging es Schlag auf Schlag.

Im Fenster darüber erstrahlte ein sanftes Rosa – ein Einhorn mit glitzerndem Horn!

Ein Haus weiter leuchtete etwas Grünliches auf. Ein Dinosaurier! Ein freundlich aussehender Brontosaurus, um genau zu sein.

Paula war ganz aufgeregt. Ihre Oberfläche war nicht länger grau und langweilig.

Sie war nun ein Kaleidoskop aus kleinen, bunten Wundern.

Eine Rakete schwebte neben einem Einhorn, ein Dino knabberte imaginäre Blätter neben einem warmen, orangen Sonnenuntergangs-Punkt.

„Was sind das nur für Lichter?“, fragte sich Paula.

In diesem Moment tapste Herr Igel die Straße entlang. Herr Igel war ein Stammgast auf Paulas reflektierender Bühne, meistens sah er nur seine eigenen Stacheln und schnaufte dann wichtig.

Doch heute blieb er abrupt stehen.

„Potz Blitz und Stachelpelz!“, brummte er und putzte sich die kleine Brille auf seiner Nase (die hatte er nicht wirklich, aber Paula stellte sich das gerne so vor).

„Paula, was ist denn mit dir los? Du leuchtest ja wie eine Kirmesbude!“

Paula gluckste, was sich wie ein leises Plätschern anhörte.

„Das sind die neuen Lichter, Herr Igel! Ich weiß nicht genau, was sie sind, aber sie kommen aus den Fenstern.“

Herr Igel trat näher und betrachtete die tanzenden Reflexionen.

„Eine Rakete… und ein Einhorn? Sehr merkwürdig. Und dieser grüne Geselle da… der sieht aus wie mein Ur-Ur-Ur-Großonkel Borsti nach zu vielen Regenwürmern.“

Paula kicherte.

„Ich glaube, das sind Schlaflichter“, miaute plötzlich eine elegante Stimme.

Frau Katze, die Samtpfote der Nachbarschaft, saß auf der Gartenmauer und putzte sich anmutig eine Pfote.

Sie schien die Szene schon eine Weile beobachtet zu haben.

„Schlaflichter?“, fragten Paula und Herr Igel wie aus einem Munde.

„Ja“, erklärte Frau Katze mit der Geduld einer Lehrerin. „Das sind die Lichter, die die kleinen Menschenkinder in ihren Zimmern haben, wenn sie schlafen gehen. Sie sollen böse Träume vertreiben und leuchten die ganze Nacht.“

Sie machte eine Pause und blinzelte Paula zu.

„Manche sehen aus wie Sterne, manche wie Tiere oder Fahrzeuge. Sie spiegeln die Träume der Kinder wider, bevor sie überhaupt anfangen.

Paula war fasziniert.

Sie spiegelte also nicht nur einfache Lichter… sie spiegelte kleine, leuchtende Träume!

Die Rakete gehörte vielleicht zu einem Jungen, der davon träumte, zum Mond zu fliegen.

Das Einhorn zu einem Mädchen, das an Magie glaubte.

Der Dinosaurier zu einem Kind, das Abenteuer liebte.

Plötzlich fühlte sich Paula wieder wichtig. Sehr wichtig sogar.

Sie war nicht nur eine Pfütze. Sie war die Hüterin der Schlaflichter-Reflexionen in der Ahornstraße!

Sie war der Spiegel für die sanften Träume der Kinder.

Auch ohne Mond und Sterne und Straßenlaterne hatte ihre Nacht einen Sinn.

Sie konzentrierte sich und ließ die kleine Rakete auf ihrer Oberfläche tanzen, das Einhorn elegant schweben und den Dinosaurier freundlich nicken.

Herr Igel nickte anerkennend. „Nun gut, das ist doch mal was anderes. Nicht so protzig wie der Mond, aber… gemütlich.“

Frau Katze schnurrte zustimmend. „Sehr stimmungsvoll, liebe Paula. Eine wahre Freude für den nächtlichen Spaziergänger.“

Die Wolken hingen immer noch tief, die Straßenlaterne blieb dunkel, aber das machte Paula Pfütze gar nichts mehr aus.

Sie hatte ihre eigene, ganz besondere Art von Sternenhimmel gefunden – einen Himmel voller bunter Schlaflichter und beginnender Träume.

Und während die Kinder in den Häusern sicher und geborgen schliefen, leuchtete Paula auf dem Bürgersteig, eine kleine, tapfere Pfütze, die stolz die sanften Lichter der Nacht spiegelte.

Sie plätscherte leise vor sich hin, zufrieden und glücklich.

Manchmal, so dachte sie, sind die kleinsten Lichter die allerschönsten.