
Der kleine Pullunder Polly verliert seine wichtigste Masche und begibt sich auf eine abenteuerliche Suche im Kinderzimmer, um wieder kuschelig zu sein.
Polly Pullunder war kein gewöhnlicher Pullover.
Oh nein, Polly war ein ganz besonderer, handgestrickter Kinderpullunder, kuschelweich und sonnengelb mit himmelblauen Streifen.
Sie wohnte im Kleiderschrank von Lotte, einem Mädchen mit ebenso sonnigem Gemüt.
Polly liebte es, Lotte zu wärmen, besonders an kühlen Abenden, wenn Geschichten vorgelesen wurden.
Aber an diesem Morgen fühlte sich Polly irgendwie… unvollständig.
Etwas fehlte. Etwas Wichtiges.
„Meine Kuschelmasche!“, flüsterte Polly entsetzt in die Stille des Schranks.
Die Kuschelmasche war nicht irgendeine Masche.
Sie war die allererste Masche, die Oma Greta gestrickt hatte, als sie Polly erschuf.
Oma Greta hatte gesagt, diese Masche sei mit extra viel Liebe und einem Hauch Magie gefüllt, damit Polly immer besonders gut kuscheln konnte.
Und jetzt war sie weg!
Ein kleines Loch klaffte genau dort, wo die Kuschelmasche sitzen sollte, direkt über Pollys linkem Streifen.
„Oh weh, oh weh!“, jammerte Polly leise. „Ohne meine Kuschelmasche bin ich ja nur ein halber Kuschelpullunder!“
Entschlossen, ihr wichtigstes Teil wiederzufinden, beschloss Polly, sich auf die Suche zu machen.
Das war gar nicht so einfach für einen Pullunder ohne Beine.
Sie musste sich winden und schlängeln, bis sie aus dem halb offenen Schrank auf den flauschigen Teppich plumpste. Puh!
Zuerst schaute sie unter Lottes Bett.
Dort war es dunkel und ein bisschen staubig.
„Hallo? Ist hier jemand?“, piepste Polly.
Ein Rascheln antwortete ihr. Eine alte, graue Socke mit einem Loch am Zeh lugte hinter einem Bettpfosten hervor.
„Wer stört meinen Mittagsschlaf?“, brummte die Socke. „Ich bin Herr Socke von Links.“
„Entschuldigung, Herr Socke“, sagte Polly höflich. „Ich bin Polly Pullunder und ich suche meine verlorene Kuschelmasche. Haben Sie sie vielleicht gesehen? Sie ist klein, weich und voller Liebe.“
Herr Socke blinzelte mit einem Faden, der wie ein Auge aussah.
„Masche? Liebe? Junger Pullunder, hier unten gibt es nur Staubmäuse und vergessene Legosteine. Von Liebe und Maschen verstehe ich nichts. Aber pass auf die Wollmaus Willi auf, der klaut alles, was flauschig ist.“
Enttäuscht bedankte sich Polly und rollte weiter.
Eine Wollmaus? Das klang nicht gut.
Sie kullerte am Schreibtisch vorbei. Da glitzerte etwas auf dem Boden.
„Oh, vielleicht ist das meine Masche!“, rief Polly hoffnungsvoll.
Aber es war nur ein kleiner, runder Knopf aus Perlmutt. Er war von Lottes Lieblingsbluse abgefallen.
„Hallo, du Glitzerding!“, sagte Polly. „Bist du eine Kuschelmasche?“
Der Knopf kicherte, was wie ein leises Klimpern klang.
„Ich? Nein, ich bin Knöpfchen! Ich halte Blusen zusammen, aber kuscheln kann ich nicht. Ich suche auch jemanden – meine Bluse! Aber sag mal, warum rollst du so komisch?“
„Ich suche meine Kuschelmasche“, erklärte Polly traurig. „Ohne sie bin ich nicht richtig kuschelig.“
„Ach, du Arme“, klimperte Knöpfchen mitleidig. „Vielleicht weiß Frau Spinne Rat? Sie wohnt in der Ecke beim Fenster und kennt sich mit Fäden aus.“
Das war eine Idee! Polly bedankte sich und rollte zur Fensterecke.
Dort saß Frau Spinne in ihrem kunstvollen Netz und putzte gerade eines ihrer acht Beine.
„Guten Tag, Frau Spinne“, sagte Polly. „Ich suche meine Kuschelmasche. Sie ist weg und ich fühle mich ganz unkuschelig.“
Frau Spinne betrachtete Polly mit ihren vielen Augen.
„Eine Masche, sagst du? Aus Wolle? Hm.“ Sie zupfte nachdenklich an einem Faden ihres Netzes.
„Meine Fäden sind stark und klebrig, perfekt zum Fliegenfangen. Aber kuschelig? Nein, das sind sie nicht. Und deine Masche habe ich nicht gesehen. Aber ich habe beobachtet, wie Lotte heute Morgen etwas Kleines, Gelbes aufgehoben und in ihre Hosentasche gesteckt hat.“
Pollys nicht vorhandenes Herz machte einen kleinen Hüpfer.
„Etwas Gelbes? Das könnte sie sein! Lottes Hosentasche!“
Aber wie sollte sie dorthin kommen? Lotte war in der Schule.
Polly seufzte. Die Hosentasche war unerreichbar.
Sie rollte sich mutlos zu einem kleinen Wollknäuel zusammen.
Da raschelte es wieder. Diesmal lauter.
Ein großes, graues Staubknäuel mit zwei Knopfaugen rollte heran. Es sah ziemlich grimmig aus.
„Na, wen haben wir denn da?“, schnaufte das Knäuel. „Ein kleiner, gelber Pullunder. Ganz allein. Perfekt für meine Sammlung!“
„Sind Sie Wollmaus Willi?“, fragte Polly ängstlich.
„Der einzig Wahre!“, brummte Willi. „Und du kommst jetzt mit!“ Er versuchte, Polly mit seinen staubigen Armen zu packen.
„Hilfe!“, rief Polly. „Ich will nicht in Ihre Sammlung! Ich suche doch nur meine Kuschelmasche!“
Plötzlich hörte Polly ein vertrautes Geräusch. Die Haustür! Lotte kam nach Hause!
„Lotte!“, rief Polly so laut sie konnte, was eher ein gedämpftes „Loooofffe!“ war.
Lotte kam ins Zimmer gestürmt, warf ihren Schulranzen in die Ecke und sah Polly auf dem Boden.
„Polly! Was machst du denn hier? Und was ist das?“ Sie bemerkte das kleine Loch.
Dann sah sie Wollmaus Willi, der verdutzt innehielt.
Lotte kicherte. „Ach, Willi, du alte Staubfluse. Lass meinen Polly in Ruhe.“ Sie pustete kräftig, und Wollmaus Willi wurde unter das Bett geweht, wo er empört vor sich hin murmelte.
Lotte hob Polly vorsichtig auf. „Du hast ja ein Loch! Arme Polly. Hast du deine Kuschelmasche verloren?“
Polly konnte nur zustimmend rascheln.
Lotte lächelte. „Warte mal.“ Sie griff in ihre Hosentasche.
Und zog etwas Kleines, Gelbes heraus. Es war ein winziges Wollknäuel – Pollys Kuschelmasche!
„Ich hab sie heute Morgen auf dem Boden gefunden und eingesteckt, damit sie nicht verloren geht“, erklärte Lotte. „Ich wollte Oma Greta bitten, sie wieder anzunähen.“
Polly war überglücklich. Ihre Kuschelmasche!
Lotte drückte Polly fest an sich. „Auch mit Loch bist du mein liebster Kuschelpullunder.“
Aber es war trotzdem schön, als Oma Greta am Nachmittag zu Besuch kam.
Mit Nadel und Faden nähte sie die Kuschelmasche im Handumdrehen wieder an.
Sie gab der Masche sogar einen kleinen Kuss, „für extra Kuschelkraft“.
An diesem Abend, als Lotte mit Polly im Arm einer Geschichte lauschte, fühlte sich Polly wieder ganz und gar vollständig.
Die Kuschelmasche saß fest an ihrem Platz, warm und voller Liebe.
Polly kuschelte sich tief in Lottes Arme und dachte an ihr Abenteuer.
Sie hatte Herrn Socke, Knöpfchen, Frau Spinne und sogar Wollmaus Willi getroffen.
Es war aufregend gewesen, aber am schönsten war es doch, sicher und geborgen bei Lotte zu sein, mit der wiedergewonnenen Kuschelmasche.
Und sie wusste: Selbst wenn mal eine Masche fehlt, die wichtigste Kuschelkraft kommt immer noch von dem, der einen lieb hat.
Mit diesem wohligen Gedanken schlief Polly Pullunder zufrieden ein.