
Susi Spinne mag keine grauen Netze. Sie fängt Sternenstaub, um funkelnde, magische Kunstwerke zu weben. Eine Geschichte über Anderssein & Träume.
Hoch oben, unter dem knarzenden Dachboden eines alten Observatoriums, wo der Mond nachts durch ein staubiges Oberlicht blinzelte, lebte eine kleine Spinne namens Susi.
Susi war keine gewöhnliche Spinne.
Ihre acht Beine schimmerten in allen Farben des Regenbogens, mal blau, mal grün, mal ein freches Orange, je nach Lichteinfall und Susis Laune.
Und Susi hatte ein Geheimnis, oder besser gesagt, einen Traum.
Sie mochte die normalen Spinnennetze nicht besonders.
Klar, sie waren nützlich, um Fliegen zu fangen (obwohl Susi Fliegen eigentlich nur kitzeln wollte), aber sie fand sie so… grau.
So klebrig und unscheinbar.
Susi träumte von Netzen, die funkelten und glitzerten, die leuchteten wie die Sterne, die sie jede Nacht durch das Dachfenster beobachtete.
„Ach“, seufzte sie oft zu Konstantin, der weisen, alten Motte, die zwischen alten Karten und verstaubten Büchern wohnte. „Wenn meine Netze doch nur ein bisschen mehr… Piff und Paff hätten! Ein bisschen Glitzer-Glamour!“
Konstantin putzte bedächtig seine Fühler.
„Piff und Paff, junge Susi? Die Welt ist, wie sie ist. Ein Netz ist ein Netz.“
Aber Susi war nicht zufrieden.
Eines Nachts, als der Mond besonders hell schien und das Teleskop des Observatoriums wie ein riesiges Auge zum Himmel starrte, bemerkte Susi etwas.
Durch einen winzigen Spalt im Dach rieselte etwas herab.
Es war kein Staub.
Es war feiner, leuchtender… Sternenstaub!
Er landete sanft auf dem Holzboden und glitzerte wie tausend winzige Diamanten.
Susis acht Augen wurden riesengroß.
„Sternenstaub!“, flüsterte sie aufgeregt.
Ihr kleines Spinnenhirn begann zu rattern.
Was wäre, wenn…? Ja, was wäre, wenn sie diesen Sternenstaub in ihre Fäden einweben könnte?
Am nächsten Tag machte sich Susi an die Arbeit.
Sie sammelte winzige Zahnräder aus einer kaputten Uhr, ein Stückchen Draht und eine leere Nussschale.
Daraus bastelte sie eine kleine, wackelige Maschine, die sie direkt unter den Dachspalt schob.
Ihre Sternenstaub-Fang-Vorrichtung!
Sie knatterte und quietschte ein wenig, aber sie funktionierte!
Langsam sammelte sich der glitzernde Staub in der Nussschale.
Susi konnte es kaum erwarten.
Mit größter Sorgfalt versuchte sie, den reinen Sternenstaub zu einem Faden zu spinnen.
Es war schwierig! Der Staub war so fein und leicht.
Endlich hatte sie einen kleinen, gleißenden Faden.
Sie begann, ihr erstes Sternenstaubnetz zu weben.
Es war atemberaubend schön!
Es funkelte und schimmerte im Mondlicht, als hätte jemand den Nachthimmel selbst eingefangen.
Susi war begeistert.
Doch dann kam die erste Fliege vorbei.
Bzzzz… Sie flog auf das Netz zu und… Wusch! Sie rutschte einfach hindurch, als wäre das Netz eine glitzernde Wasserrutsche.
Kichernd sauste sie davon.
Kurz darauf krabbelte ein dicker Mistkäfer namens Kalle über den Dachboden.
Er stolperte, fiel auf das Netz und… Huiii! Er drehte sich wie auf einem Karussell und landete verdattert auf dem Rücken.
„Hoppla!“, murmelte er. „Sehr… glatt hier.“
Susi seufzte.
Das Netz war wunderschön, aber völlig unbrauchbar.
Konstantin flatterte herbei.
„Ich sagte doch, Piff und Paff sind nicht alles, junge Susi.“
Susi ließ ihre bunten Beinchen hängen.
Aber dann kam ihr eine neue Idee.
Was, wenn sie den Sternenstaub mit ihrem normalen Spinnfaden mischte?
Sie experimentierte.
Ein bisschen Sternenstaub, viel normaler Faden. Zu langweilig.
Viel Sternenstaub, ein bisschen normaler Faden. Wieder zu rutschig.
Sie versuchte es immer wieder, mischte und webte, bis ihre bunten Beine müde waren.
Manchmal verhedderte sie sich in ihren eigenen glitzernden Fäden und sah aus wie ein Weihnachtsbaumschmuck.
Einmal nieste sie und eine Wolke aus purem Glitzer schoss durch den Dachboden, sehr zur Freude der kleinen Staubmäuse, die darin tanzten.
Und dann, endlich, fand sie die perfekte Mischung.
Sie webte ein Netz, das stabil und klebrig genug war, aber trotzdem sanft im Mondlicht schimmerte.
Es war wunderschön und praktisch zugleich!
Die anderen Dachbodenbewohner staunten.
„Oh, Susi, das ist ja zauberhaft!“, zirpte eine Grille.
„So was Hübsches habe ich noch nie gesehen“, brummte Kalle, der Mistkäfer, der sich inzwischen erholt hatte.
Susi war überglücklich.
Sie hatte ihren Traum verwirklicht!
Von nun an webte Susi die schönsten Netze auf dem ganzen Dachboden.
Sie fing zwar immer noch nicht viele Fliegen – sie ließ sie lieber auf den glitzernden Fäden schaukeln – aber ihre Netze waren Kunstwerke.
Sie machte kleine Geschenke für ihre Freunde.
Konstantin bekam einen leuchtenden Faden für seine Fühlerantenne, damit er im Dunkeln besser sehen konnte.
Den Staubmäusen webte sie winzige, glitzernde Hängematten.
Sogar der brummige Kalle bekam einen funkelnden Punkt auf seinen Panzer geklebt.
Der Dachboden des alten Observatoriums war nun der gemütlichste und funkelndste Ort, den man sich vorstellen konnte.
Überall hingen Susis schimmernde Kreationen und warfen tanzende Lichtpunkte an die Wände, wenn der Mond durch das Oberlicht schien.
Susi saß oft in der Mitte ihres schönsten Netzes, ließ ihre bunten Beine baumeln und blickte zufrieden zu den Sternen auf.
Sie hatte gelernt, dass es gut ist, anders zu sein und seinen eigenen Träumen zu folgen.
Manchmal muss man nur ein bisschen Piff und Paff hinzufügen, und vielleicht eine Prise Sternenstaub.
Müde vom Weben und Glitzern kuschelte sich Susi in ihr funkelndes Netz ein.
Sie träumte von neuen Mustern, gewebt aus Mondstrahlen und Kometenschweifen.
Und während sie schlief, leuchtete der ganze Dachboden sanft vom eingefangenen Sternenlicht.
Gute Nacht, kleine Susi Spinne.