Theo T-Shirt sucht seine Kuschelfalte

Theo T-Shirt sucht seine Kuschelfalte

Das kleine T-Shirt Theo sucht nachts im Kinderzimmer nach seiner eigenen Kuschelfalte und lernt, dass man sie sich durch Nähe verdienen muss.

Theo war ein T-Shirt. Ein ganz normales, blaues T-Shirt mit einem kleinen, aufgestickten Bären auf der Brusttasche.

Theo wohnte zusammen mit vielen anderen Kleidungsstücken in einer großen, hölzernen Kommode im Kinderzimmer.

Es war eigentlich ganz gemütlich dort. Pullover Peter war ein lustiger Kerl, immer für einen Witz zu haben, und Hemd Helga wusste die spannendsten Geschichten vom letzten Bügelbrett-Abenteuer zu erzählen.

Aber Theo war nicht ganz glücklich.

Ihm fehlte etwas. Etwas Wichtiges.

Er sah es manchmal bei den anderen. Pullover Peter hatte eine ganz weiche Stelle am Ärmel, genau da, wo das Kind immer seinen Kopf rieb, wenn es müde war.

Und Hemd Helga hatte eine kleine, dauerhafte Falte am Kragen, die aussah, als würde sie lächeln.

Theo nannte diese besonderen Stellen „Kuschelfalten“.

Sie waren wie kleine Geheimnisse, Zeichen dafür, dass man geliebt und gebraucht wurde.

Theo hatte keine Kuschelfalte.

Er war noch ziemlich neu und glatt. Zu glatt, fand Theo.

Eines Nachts, als das Kind im Bett neben der Kommode tief und fest schlief und nur das leise Schnarchen von Strumpfhose Susi aus der unteren Schublade zu hören war, fasste Theo einen Entschluss.

„Ich gehe meine Kuschelfalte suchen!“, flüsterte er in die dunkle Schublade.

Pullover Peter murmelte im Schlaf etwas von „kalten Füßen“ und drehte sich um.

Theo nutzte die Gelegenheit, sich vorsichtig am Ärmel von Hemd Helga vorbeizuschieben und aus der leicht geöffneten Schublade zu spähen.

Die Luft im Zimmer war kühl. Der Mond malte lustige Schatten an die Wand.

Theo rutschte leise auf den Teppich.

Puh, geschafft!

Wo fängt man an, eine Kuschelfalte zu suchen?

Theo überlegte. Vielleicht im Wäschekorb? Da landeten doch die Sachen, die viel erlebt hatten.

Er tippelte auf seinen Saumspitzen zum Wäschekorb, der wie ein großer, geflochtener Riese in der Ecke stand.

Er kletterte mühsam am Geflecht hoch und spähte hinein.

Ein Durcheinander von Socken, Unterhemden und Handtüchern.

„Hallo?“, piepste Theo.

Ein einzelner, geringelter Socken namens Sonja hob den Kopf. Sie sah ein bisschen traurig aus.

„Na? Was suchst du denn hier, Frischling?“, brummte Sonja.

„Ich suche eine Kuschelfalte“, erklärte Theo.

Sonja seufzte. „Kuschelfalten… tja. Die bekommt man nicht einfach so. Die muss man sich verdienen. Durch Drücken, Knuddeln, Liebhaben. Oder durch Verlieren“, murmelte sie und blickte sich suchend um. „Meinen Partner Willi hat die Waschmaschine gefressen. Seitdem habe ich hier eine Sorgenfalte.“ Sie zeigte auf eine tiefe Kerbe in ihrem Bündchen.

Das klang nicht sehr ermutigend.

Theo bedankte sich und rutschte wieder vom Korb herunter.

Er blickte sich im Zimmer um. Auf dem Boden lag Hose Hanno.

Hanno war eine Jeans und ziemlich stolz auf seine abgewetzten Knie und den kleinen Riss an der Tasche.

„Hey, Theo!“, rief Hanno lässig. „Nachtwanderung?“

„Ich suche eine Kuschelfalte“, sagte Theo.

„Kuschelfalte?“, lachte Hanno. „Was ist das denn Weiches? Ich hab‘ Abenteuer-Schrammen! Hier, siehst du? Vom Klettern auf dem Apfelbaum! Und das hier? Vom Rutschen auf dem Spielplatz!“

Hanno war sehr stolz auf seine Blessuren, aber sie sahen nicht wie die gemütlichen Kuschelfalten aus, die Theo meinte.

„Nein, sowas meine ich nicht“, sagte Theo leise und ging weiter.

Er kam zum Sofa, auf dem ein großes, flauschiges Kissen lag. Kissen Klaus.

Klaus war sehr weise und gemütlich. Er hatte unzählige Dellen und Falten.

„Guten Abend, junges T-Shirt“, säuselte Klaus mit weicher Stimme. „Was führt dich in der Nacht hierher?“

„Ich suche eine Kuschelfalte“, erklärte Theo nun schon zum dritten Mal.

Kissen Klaus schmunzelte, was bei ihm aussah, als würde er noch gemütlicher einsinken.

„Eine Kuschelfalte, mein lieber Theo, ist kein Ort, den man findet. Sie ist ein Gefühl, das bleibt. Sie entsteht, wenn man ganz nah bei jemandem ist, wenn man Wärme gibt und Trost spendet. Sie ist das Echo einer Umarmung.“

Theo dachte nach. Das klang schön, aber auch kompliziert.

„Also… muss ich umarmt werden?“, fragte er.

„Ganz genau“, nickte Klaus. „Je öfter und lieber, desto schöner die Falte.“

Plötzlich sauste etwas an Theo vorbei. ZACK! Er wurde hochgehoben!

„Huch! Was ist los?“, quiekte Theo erschrocken.

Es war Wäscheklammer Klara. Klara war immer sehr pflichtbewusst und manchmal etwas übereifrig.

„Na, kleines T-Shirt? Auf Abwegen? Es ist zwar nicht Waschtag, aber Ordnung muss sein!“, schnarrte Klara und versuchte, Theo an einer imaginären Wäscheleine an der Sofalehne festzuklemmen.

„Nein! Halt! Ich will doch nur…!“, zappelte Theo.

Er strampelte so sehr, dass er Klara aus der Klammer rutschte und wieder auf dem Teppich landete.

Klara schnappte beleidigt und zog sich zurück.

Theo war ein bisschen zerknittert und entmutigt.

Eine Kuschelfalte finden war anstrengender als gedacht.

Er setzte sich auf den Teppich und blickte zum Bett hinüber.

Das Kind schlief immer noch tief und fest. Es hatte einen Arm um seinen Teddybär gelegt.

Theo erinnerte sich an die Worte von Kissen Klaus. „Sie entsteht, wenn man ganz nah bei jemandem ist.“

Vielleicht…?

Ganz vorsichtig tippelte Theo zum Bett.

Er kletterte am Bettbezug hoch, Zentimeter für Zentimeter.

Oben angekommen, rutschte er ganz leise neben das Kind.

Es roch warm und vertraut.

Theo schmiegte sich an den Arm des Kindes, direkt neben den Teddy.

Das Kind bewegte sich im Schlaf, seufzte leise und zog Theo unbewusst näher an sich.

Es drückte ihn fest.

Oh! Das war schön! So warm und sicher.

Theo fühlte sich plötzlich ganz ruhig und geborgen.

Er schloss seine nicht vorhandenen Augen und lauschte dem gleichmäßigen Atmen des Kindes.

So blieb er liegen, die ganze restliche Nacht, fest umarmt.

Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen und das Kind langsam aufwachte, lag Theo immer noch ganz nah.

Das Kind gähnte, streckte sich und nahm Theo mit.

Es trug ihn zurück zur Kommode und legte ihn vorsichtig in die Schublade.

„Guten Morgen, Theo“, murmelte es schlaftrunken.

Als Theo wieder zwischen Pullover Peter und Hemd Helga lag, fühlte er etwas an seiner Seite.

Direkt unter dem aufgestickten Bären.

Eine kleine, feine, wunderbar weiche Falte.

Sie war nicht groß, aber sie war da.

Seine ganz eigene Kuschelfalte!

Sie war entstanden, weil er ganz nah gewesen war, weil er umarmt wurde.

Theo lächelte. Er war nicht mehr nur ein glattes, neues T-Shirt.

Er war Theo, das T-Shirt mit der Kuschelfalte.

Und das war das Allerbeste, was ein T-Shirt sein konnte.