Theo Treppenstufe knackt ein Schlaflied

Theo Treppenstufe knackt ein Schlaflied

Eine knarzende Treppenstufe versucht, ein lustiges Schlaflied zu „knacken“, als ein kleines Mädchen nachts heimlich die Treppe hochschleicht.

Theo war eine Treppenstufe. Keine gewöhnliche, oh nein! Theo war eine sehr alte, sehr würdevolle Treppenstufe, genau in der Mitte der knarrenden Holztreppe in einem gemütlichen Haus, wo die kleine Lena wohnte.

Theo hatte schon viel erlebt. Er hatte Großväter mit schweren Schritten getragen, winzige Babyfüßchen gespürt und unzählige Male Lenas eilige Tritte ertragen, wenn sie morgens fast zu spät zur Schule kam.

Aber eines mochte Theo überhaupt nicht: Leisetreterei.

Wenn jemand versuchte, sich heimlich die Treppe hoch- oder runterzuschleichen, dann wurde Theo ganz kribbelig im Holz.

Es war nicht so, dass er jemanden verpetzen wollte. Nein, Theo fand, sein Knarzen war eine Art… Begrüßung. Ein „Hallo, ich bin auch noch da! Pass auf, wo du hintrittst!“-Knarzen.

An diesem Abend war es besonders still im Haus. Der Mond malte lustige Schatten durch das Flurfenster, und nur das leise Summen des Kühlschranks und das bedächtige Ticken der alten Standuhr im Wohnzimmer waren zu hören.

Plötzlich hörte Theo ein Geräusch. Ein ganz, ganz leises Tapsen am unteren Ende der Treppe.

„Aha!“, dachte Theo. „Ein Leisetreter!

Es war Lena. Sie hatte ihren kuscheligen Bären „Brummo“ im Wohnzimmer vergessen und wollte ihn holen, ohne Mama und Papa zu wecken.

Sie setzte einen Fuß auf die erste Stufe. Nichts.

Die zweite. Stille.

Die dritte. Ein winziges Knistern, aber nicht von Theo.

Lena wurde mutiger. Sie war schon fast bei Theo in der Mitte angekommen.

Theo spürte das leichte Gewicht von Lenas Fuß näherkommen. „Jetzt!“, dachte er. „Zeit für meine Begrüßung!“

Normalerweise hätte er jetzt ein lautes, empörtes „KNARZ!“ von sich gegeben. Ein Knarzen, das sagte: „Erwischt!“

Aber heute Abend… heute Abend fühlte sich Theo anders. Vielleicht lag es am Mondlicht oder an der besonderen Stille.

Er dachte: „Was wäre, wenn mein Knarzen kein Schimpfen ist? Was wäre, wenn es… Musik ist?

Lena setzte ihren Fuß vorsichtig genau auf Theos Mitte.

Theo atmete tief durch (so gut eine Treppenstufe das eben kann) und anstatt zu schimpfen, versuchte er etwas Neues.

Er gab ein langes, gezogenes „Knieeeeek“ von sich. Es klang ein bisschen wie eine traurige Geige.

Lena zuckte zusammen und blieb stehen. Ihre Augen wurden groß.

Unten im Flur brummte die alte Standuhr leise: „Tick-tack… was war das denn… tack-tack?“

Theo war nicht zufrieden. Das klang noch nicht nach Musik.

Lena wagte den nächsten Schritt, auf die Stufe über Theo.

Theo versuchte es wieder. Diesmal ein kurzes, federndes „Knock-Knock-Knirsch“. Ein bisschen wie ein Holzwurm, der Stepptanz übt.

Der alte Sessel im Flur raschelte leise mit seinem Stoff, als würde er im Schlaf murmeln: „Ruhe da oben…“

Lena kicherte leise. Das klang lustig.

Theo war überrascht. Sie lachte? Sie hatte keine Angst?

Das spornte ihn an. Jetzt wollte er es wissen! Er war Theo Treppenstufe, der Komponist!

Als Lena den nächsten Schritt machte, ließ Theo eine ganze Melodie hören: „Knarrrz-quietsch-knack-knooorz!“ Es war ein aufregendes Geräusch, mal hoch, mal tief, ein bisschen holprig, aber irgendwie… interessant.

Lena blieb wieder stehen. Aber diesmal sah sie nicht erschrocken aus. Sie legte den Kopf schief und lauschte.

Sie setzte sich vorsichtig auf die Stufe direkt über Theo.

Theo war verwirrt. Was machte sie denn? Sie wollte doch Brummo holen?

Er knarzte fragend: „Knieee? Knack?“

Lena gähnte herzhaft. Das viele Lauschen und das Kichern hatten sie müde gemacht. Die seltsamen Geräusche von Theo waren gar nicht mehr unheimlich, sondern irgendwie… beruhigend. Wie ein geheimer Code, den nur sie und die Treppe verstanden.

Theo versuchte ein sanfteres Geräusch. Ein leises „Chrrchch“. Fast wie Wellenrauschen, nur eben aus Holz.

Lena kuschelte sich auf der Stufe zusammen. Ihre Augen wurden schwerer.

„Noch mal“, murmelte sie schläfrig.

Theo war stolz. Er, die knarzende Treppenstufe, wurde um eine Zugabe gebeten!

Er spielte sein sanftes „Chrrchch“ noch einmal. Und noch einmal.

Die Standuhr tickte ruhig weiter. Der Sessel schien zufrieden zu seufzen.

Und Lena? Lena war eingeschlafen. Mitten auf der Treppe, den Kopf auf die Knie gelegt, ein kleines Lächeln im Gesicht. Sie hatte Brummo vergessen.

Theo war ganz still. Er wagte kaum, sich zu rühren, um sie nicht zu wecken.

Er hatte es geschafft. Er hatte nicht geknarzt, um zu schimpfen. Er hatte geknarzt, um ein Schlaflied zu spielen. Ein Treppenstufen-Schlaflied.

Es war vielleicht das seltsamste Schlaflied der Welt, aber es hatte funktioniert.

Theo fühlte sich plötzlich gar nicht mehr alt und würdevoll, sondern wichtig und… musikalisch.

Er lauschte Lenas ruhigem Atem und dem Ticken der Uhr.

„Vielleicht“, dachte Theo Treppenstufe, bevor er selbst in einen tiefen, hölzernen Schlummer fiel, „vielleicht ist Leisetreten doch nicht so schlimm. Manchmal entstehen dabei die schönsten Lieder.

Und auf der Treppe, im sanften Mondlicht, schliefen die kleine Lena und die knarzende Stufe Theo friedlich bis zum nächsten Morgen.