Theo Tropfnase und das Taschentuch-Segelboot

Theo Tropfnase und das Taschentuch-Segelboot

Theo hat Schnupfen! Nachts erwachen seine Taschentücher zum Leben und bauen ein Segelboot, um auf seiner Bettdecke Abenteuer zu erleben.

Theo war ein kleiner Junge mit einer großen Nase. Und diese Nase, die hatte es in sich. Sie lief und lief, fast ohne Pause. Tropf, tropf, tropf.

Deswegen nannten ihn manche Kinder heimlich „Theo Tropfnase“. Das fand Theo gar nicht lustig.

Neben Theos Bett stand ein kleiner Mülleimer, der aber meistens schon voll war. Daneben türmte sich ein kleiner Berg aus benutzten Papiertaschentüchern. Ein weißer, knisternder Hügel im Dämmerlicht seines Zimmers.

An diesem Abend fühlte sich Theos Nase besonders kitzelig an. Hatschi! Und noch mal: Hatschi!

Er kuschelte sich tiefer in seine Decke, die wie ein riesiges, blaues Meer aussah. „Doofe Schnupfennase“, murmelte er in sein Kissen und schloss die Augen.

Draußen kletterte der Mond langsam höher an den Nachthimmel. Ein schmaler Silberstreif schob sich durch einen Spalt im Vorhang und fiel genau auf den Taschentuchberg neben dem Bett.

Und da geschah etwas Merkwürdiges.

Ein leises Rascheln war zu hören. Ganz vorsichtig bewegte sich ein zusammengeknülltes Taschentuch. Es entfaltete sich ein kleines bisschen.

Dann noch eins.

Zwei Zipfel reckten sich wie kleine Fühler in die Luft.

„Puh, endlich raus aus dem Geknülle“, flüsterte eine hauchdünne Stimme. Es war Schnief, ein besonders zerknittertes Taschentuch.

Neben ihm regte sich ein anderes. „Schnief? Bist du das? Ist die Luft rein?“, wisperte Schnauf, ein etwas vorsichtigeres Taschentuch.

Schnief rappelte sich ganz auf. „Klar ist die Luft rein! Theo schläft tief und fest. Hör mal, wie er schnarcht!“

Ein leises Sägen drang von Theos Bett herüber.

Schnauf entfaltete sich ebenfalls. „Was machen wir jetzt? Wieder warten, bis wir im Mülleimer landen?“

Schnief schüttelte energisch seine Papierspitzen. „Niemals! Ich hab eine Idee! Schau dir dieses riesige blaue Meer an!“ Er deutete auf Theos Bettdecke.

„Das ist doch nur eine Decke“, meinte Schnauf skeptisch.

„Papperlapapp! Das ist das große Meer der Träume! Und wir werden es besegeln!“, verkündete Schnief voller Tatendrang.

„Besegeln? Womit denn?“, fragte Schnauf und zog seine Ecken besorgt zusammen.

Schnief schaute sich um. Sein Blick fiel auf einen Bleistift, der neben dem Bett lag. „Damit! Das wird unser Mast!“

Gemeinsam mit ein paar anderen mutigen Taschentüchern, die vom Mondlicht ebenfalls zum Leben erweckt worden waren, schoben und zogen sie den Bleistift zum Rand des Taschentuchbergs.

„Und das Boot?“, fragte Schnauf immer noch zweifelnd.

Schnief grinste, soweit ein Taschentuch grinsen kann. „Wir nehmen eines von uns! Ein ganz stabiles!“ Sie wählten ein kaum benutztes, fast viereckiges Taschentuch als Rumpf.

Mit vereinten Kräften steckten sie den Bleistift als Mast hinein. Fehlte nur noch das Segel.

„Hier! Dieses hier!“, rief Schnief und zog ein leicht feuchtes Taschentuch hervor. „Das fängt den Wind besonders gut!“

Schnauf schüttelte sich leicht. „Ein feuchtes Segel? Ob das gut geht?“

„Abenteurer zweifeln nicht!“, rief Schnief und befestigte das feuchte Tuch am Bleistiftmast. Es hing ein wenig schlaff herunter, aber Schnief war zufrieden.

„Leinen los!“, kommandierte er.

Vorsichtig schoben sie ihr selbstgebautes Taschentuch-Segelboot vom Nachttisch auf die weite, blaue Bettdecke.

Ein leichter Lufthauch, vielleicht von Theos Atem, erfasste das feuchte Segel. Knisternd blähte es sich ein wenig.

Das Boot setzte sich in Bewegung!

„Juhuuu! Wir segeln!“, jubelte Schnief.

Schnauf hielt sich an der Bootskante fest. „Oh je, oh je, das schaukelt aber!“

Sie glitten über die sanften Wellen der Bettdecke. Die Kissen am Kopfende ragten auf wie riesige, weiße Eisberge.

Ein Teddybär, der auf der Decke lag, wurde zu einer geheimnisvollen Insel.

„Land in Sicht!“, rief Schnief und steuerte darauf zu.

Sie umrundeten die „Teddy-Insel“ und segelten weiter in Richtung Fußende.

Plötzlich – WUMM! Das Boot stieß gegen etwas Hartes.

„Was war das?“, fragte Schnauf erschrocken.

Schnief spähte über den Rand. Unter einer Falte der Decke lugte etwas Rotes hervor. „Das ist ja Theos kleines Spielzeugauto! Das hat er doch gestern gesucht!“

Theo hatte tatsächlich sein Lieblingsauto vermisst und war ganz traurig gewesen.

„Wir müssen es ihm zurückbringen!“, entschied Schnief sofort.

„Aber wie? Das ist doch viel zu schwer für uns“, wandte Schnauf ein.

Schnief dachte nach. „Wir brauchen mehr Wind!“ Er blickte hinüber zu Theo.

Genau in diesem Moment drehte sich Theo im Schlaf um und atmete tief ein.

„Achtung!“, rief Schnauf. „Ein Sturm zieht auf!“

Und dann – HATSCHI! Ein gewaltiger Nieser fegte über die Bettdecke.

Ihr kleines Segelboot wurde von der Böe erfasst und sauste mit rasender Geschwindigkeit über das blaue Meer, direkt auf das Fußende zu.

Das Spielzeugauto wurde durch den Luftstoß ebenfalls ein Stück mitgerissen.

„Festhalten!“, kreischte Schnauf.

Sie wirbelten herum und landeten schließlich sanft in einer Mulde nahe Theos Füßen.

Das rote Auto lag direkt neben ihnen.

„Puh, das war knapp!“, schnaufte Schnauf. „Aber wir haben es geschafft! Das Auto ist fast am Ufer!“

Die mutigen Taschentücher schoben und zerrten das kleine Auto das letzte Stück, bis es sicher neben Theos Hand lag, die schlaff auf der Decke ruhte.

Langsam begann der Himmel draußen heller zu werden. Der Mond verblasste.

„Zurück! Schnell!“, mahnte Schnauf. „Die Magie lässt nach!“

Sie ließen ihr Boot zurück und kletterten eilig vom Bett hinunter, zurück zum Taschentuchberg neben dem Nachttisch.

Gerade als die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen, erstarrten sie wieder zu ganz normalen, zerknitterten Papiertaschentüchern.

Nur der Bleistift ragte noch ein wenig seltsam aus dem Haufen.

Als Theo aufwachte, rieb er sich die Augen. Seine Nase fühlte sich erstaunlicherweise etwas besser an.

Er streckte sich – und seine Hand berührte etwas Hartes.

„Mein Auto!“, rief er überrascht und glücklich. „Wo kommt das denn her?“

Er schaute sich um. Sein Blick fiel auf den Taschentuchberg. War der nicht gestern Abend anders aufgetürmt? Und warum steckte da sein Bleistift drin?

Theo runzelte die Stirn. Dann musste er lächeln.

Es war seltsam, aber irgendwie auch schön geheimnisvoll.

Er nahm sein rotes Auto und ließ es über die Bettdecke flitzen, über das große blaue Meer seiner Träume.

Seine Schnupfennase war immer noch da, aber sie ärgerte ihn heute nicht mehr ganz so sehr.

Wer weiß, dachte er, vielleicht erleben sogar Taschentücher manchmal spannende Abenteuer, wenn man schläft.