
Tilda Tausendfüßler braucht 1000 Bettsocken! Eine fehlt – die für den Sternentraum. Eine lustige Suche beginnt.
Tilda Tausendfüßler war kein gewöhnlicher Tausendfüßler.
Oh nein, Tilda war besonders gemütlich.
Sie liebte den Abend mehr als alles andere.
Wenn die Sonne hinter den Mooshügeln verschwand und die Glühwürmchen ihre Lichter anknipsten, dann begann Tildas Lieblingszeit.
Kuschelzeit!
Aber Kuschelzeit bedeutete für Tilda auch… Sockenzeit.
Und das war bei Tilda eine ziemlich große Sache.
Denn Tilda hatte nicht nur zehn Füße wie ein Käfer oder sechs wie eine Ameise.
Nein, Tilda hatte tausend Füße!
Genau tausend klitzekleine Tausendfüßlerfüße.
Und jeder einzelne dieser Füße wollte am Abend in eine eigene, weiche, warme Bettsocke gesteckt werden.
Stellt euch das mal vor! Tausend Socken!
Das sind fünfhundert Paare!
Jeden Abend das gleiche Ritual.
Mama Tausendfüßler holte die riesige Sockenkiste hervor, die unter Tildas Blätterbett stand.
Die Kiste quoll über vor Socken in allen Farben des Regenbogens.
Gestreifte Socken, gepunktete Socken, Socken mit kleinen Pilzmotiven und sogar welche mit Glitzerfäden.
„So, mein Schatz“, sagte Mama Tausendfüßler und klang dabei schon ein bisschen müde, bevor es überhaupt losging. „Fuß eins bis hundert – die roten Socken!“
Tilda kicherte und streckte die ersten hundert Füße aus.
Mama zog Socke für Socke an. Puh!
Dann kamen die blauen Socken für die Füße hundertundeins bis zweihundert.
Dann die grünen. Dann die gelben. Dann die mit den Punkten.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit.
Papa Tausendfüßler half manchmal mit, aber meistens las er Tilda schon mal die erste Gutenachtgeschichte vor, während Mama noch bei Fuß siebenhundertvierunddreißig war.
Tilda liebte ihre Bettsocken.
Sie waren von Oma Tausendfüßler gestrickt worden, jede einzelne mit ganz viel Liebe und einem kleinen Geheimnis.
Oma hatte nämlich geflüstert, dass es Traumsocken seien.
Jede Farbe, jedes Muster, sollte für einen anderen schönen Traum sorgen.
Die roten für Abenteuerträume, die blauen für Flugträume, die grünen für Waldträume, die gepunkteten für lustige Quatschträume.
Deshalb war es Tilda auch so wichtig, dass JEDER Fuß seine Socke bekam.
Ein fehlender Traum? Undenkbar!
Doch an diesem Abend passierte es.
Mama Tausendfüßler zählte und sortierte.
„Neunhundertachtundneunzig… neunhundertneunundneunzig…“
Sie griff in die Kiste nach dem letzten Paar, den kuscheligen, schlafsandfarbenen Socken mit den kleinen Sternen drauf.
Sie zog eine Socke über Fuß neunhundertneunundneunzig.
Dann griff sie nach der letzten Socke für Fuß Nummer tausend.
Aber… die Kiste war leer!
Nur ein paar Wollflusen kullerten noch herum.
„Oh nein!“, rief Mama Tausendfüßler erschrocken. „Eine Socke fehlt!“
Tilda spürte sofort, welcher Fuß noch nackt war. Es war der allerletzte, der tausendste Fuß an ihrem linken hinteren Ende.
Er fühlte sich plötzlich ganz kalt und einsam an.
„Meine Sternensocke!“, quiekte Tilda. „Ich kann doch nicht ohne meine Sternensocke schlafen! Dann fehlt mir der Sternentraum!“
Panik machte sich breit. Ein Tausendfüßler ohne Sternentraum? Das ging gar nicht!
Papa Tausendfüßler klappte das Buch zu. „Keine Sorge, wir finden sie.“
Aber wo sucht man eine winzige, schlafsandfarbene Socke mit Sternen drauf in einem gemütlichen Tausendfüßler-Zuhause unter einer großen Baumwurzel?
Überall lagen Blätter, Moospolster, kleine Steinchen und die Spielsachen von Tilda.
„Ich helfe suchen!“, piepste Tilda tapfer, obwohl ihr schon die Augen zufielen.
Sie robbte auf neunhundertneunundneunzig Sockenfüßen vom Bett.
Zuerst schauten sie in der Spielzeugkiste nach.
Zwischen Bauklötzen aus Rinde und einer Puppe aus Grashalmen war keine Socke.
Dann unter dem Teppich aus weichem Moos. Nichts.
Sie fragten Willi, die Kellerassel, die gerade gemütlich an einem Stückchen Holz knabberte.
„Eine Socke? Schlafsandfarben mit Sternen?“, brummte Willi. „Nö. Aber wenn ihr Rinde sucht, da drüben liegt leckere.“
Sie leuchteten mit einer Glühwürmchenlaterne in alle dunklen Ecken.
Sie schauten hinter Papas Rindenlesesessel.
Sie schauten in Mamas Nussschalen-Nähkästchen.
Die Socke blieb verschwunden.
Tilda wurde immer trauriger. Eine Träne kullerte über ihre Tausendfüßlerwange.
„Ich werde nie wieder von Sternen träumen“, schluchzte sie. „Mein tausendster Fuß wird für immer frieren.“
Mama Tausendfüßler nahm Tilda in ihre vielen Arme. „Ach, mein Schatz. Vielleicht können wir eine andere Socke nehmen?“
„Nein!“, protestierte Tilda. „Es muss die Sternensocke sein! Oma hat gesagt, nur die bringt die allerschönsten Träume vom Fliegen durch die Milchstraße!“
Papa Tausendfüßler hatte plötzlich eine Idee.
„Moment mal. Tilda, was hast du heute Nachmittag gespielt?“
Tilda überlegte. „Ich habe… ich habe mit meinen Tannenzapfen-Figuren ‚Teeparty im Pilzhaus‘ gespielt!“
Sie krabbelten alle zu Tildas kleinem Spielpilz, der in einer Ecke stand.
Und da! Was war das?
Auf dem winzigen Pilzdach, das als Tisch für die Teeparty diente, lag etwas Kleines, Weiches, Schlafsandfarbenes.
Es wurde als Tischdecke benutzt!
Und darauf saß eine kleine Tannenzapfen-Prinzessin und tat so, als würde sie Tee trinken.
„Meine Socke!“, rief Tilda überglücklich.
Vorsichtig nahm Papa Tausendfüßler die Socke vom Pilzdach.
Sie war ein bisschen zerknittert, aber es war eindeutig die fehlende Sternensocke.
Tilda strahlte über das ganze Gesicht.
Schnell krabbelte sie zurück ins Bett.
Mama Tausendfüßler zog ihr feierlich die tausendste Socke über den letzten kalten Fuß.
Aaaah. Das fühlte sich gut an.
Alle tausend Füße waren nun warm und kuschelig in ihren Traumsocken verpackt.
Tilda kuschelte sich tief unter ihre Blätterdecke.
„Danke, Mama. Danke, Papa“, murmelte sie schon ganz schläfrig.
Mama und Papa gaben ihr einen Gutenachtkuss auf die Stirn (was bei einem Tausendfüßler gar nicht so einfach ist zu finden).
„Schlaf schön, unsere kleine Sockenkönigin“, flüsterte Papa.
„Träum süß von den Sternen“, sagte Mama.
Und das tat Tilda.
Kaum waren ihre Augen zu, schwebte sie schon auf tausend bunten Socken durch die glitzernde Milchstraße, winkte den Sternschnuppen zu und tanzte mit dem Mond.
Es war der allerschönste Sternentraum, den sie je hatte.
Und sie wusste: Auch wenn es manchmal etwas anstrengend war, ihre tausend Füße liebten ihre tausend Bettsocken.
Und Tilda liebte sie auch.
Gute Nacht!