Wenn die Dunkelheit nach warmem Kakao riecht

Wenn die Dunkelheit nach warmem Kakao riecht

Leo entdeckt, warum die Dunkelheit manchmal nach Kakao riecht: Ein magisches Schokofünkchen vom Mond sorgt für süße Träume und Geborgenheit.

Leo kuschelte sich tiefer unter seine Bettdecke. Draußen war es stockdunkel, nur ein schmaler Streifen Mondlicht malte einen silbrigen Pinselstrich auf seinen Teppich.

Normalerweise mochte Leo die Dunkelheit nicht besonders. Sie war so… leer. Und manchmal knackte es im Schrank oder rauschte seltsam vor dem Fenster.

Aber heute Abend war etwas anders.

Die Dunkelheit fühlte sich nicht leer an. Sie fühlte sich… warm an. Und sie roch.

Leo schnupperte vorsichtig. Einmal. Zweimal.

Kein Zweifel. Es roch nach warmem Kakao. Nach richtig leckerem, süßem Kakao mit einem winzigen Hauch von Zimt, genau wie Mama ihn manchmal machte, wenn es draußen stürmte.

Aber Mama schlief schon längst. Und die Küche war weit weg.

Wo kam dieser Duft her?

Leo stupste den Teddybären an, der neben ihm lag. „Barnaby? Wach auf!“

Barnaby brummte leise. Er war ein sehr schlafbedürftiger Bär. „Mmmh? Was ist los, Leo? Ist schon Morgen?“

„Nein“, flüsterte Leo aufgeregt. „Riechst du das?“

Barnaby rümpfte seine Knopfaugennase. Erst sah er nur müde aus, aber dann wurden seine Augen ein kleines bisschen größer. „Tatsächlich… Kakao?“

„Ja! Aber woher kommt er?“, fragte Leo und setzte sich im Bett auf.

Barnaby rieb sich die Augen. „Vielleicht träumst du nur, Leo. Manchmal träumt man von leckeren Sachen.“

„Nein, das ist kein Traum! Es riecht wirklich!“, bestand Leo darauf. „Wir müssen nachsehen!“

Ein Abenteuer mitten in der Nacht? Barnaby war plötzlich hellwach. Abenteuer waren fast so gut wie schlafen.

Leise, wie zwei kleine Mäuse, schlichen Leo und Barnaby aus dem Bett. Der Holzboden knarrte ein wenig unter Leos Füßen.

„Pst!“, machte Leo.

Sie spähten unter das Bett. Dort wohnten normalerweise nur Staubflusen und manchmal ein vergessener Legostein.

Heute lag dort auch ein halber Keks von gestern Nachmittag. Er roch krümelig, aber definitiv nicht nach Kakao.

„Fehlanzeige“, flüsterte Barnaby.

Nächster Halt: der Kleiderschrank. Leo zog vorsichtig die Tür auf. Es war dunkel darin und roch nach… nun ja, nach Kleidern. Und ein bisschen nach Lavendel aus dem Säckchen, das Mama hineingehängt hatte.

Plötzlich hörten sie ein leises Gekicher aus der Ecke.

Leo knipste seine kleine Taschenlampe an, die er immer griffbereit hatte.

Im Lichtkegel saßen zwei Socken. Eine war rot mit gelben Punkten, die andere blau gestreift. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten.

„…und da sagte ich zur Wollmütze, dass sie ruhig mal Farbe bekennen soll!“, kicherte die rote Socke.

Die blaue Socke wiegte sich hin und her. „Du bist vielleicht mutig! Ich trau mich ja kaum, dem linken Schuh Hallo zu sagen.“

Leo und Barnaby starrten sich an. Sprechende Socken? Das war neu.

„Entschuldigung?“, räusperte sich Leo. „Habt ihr vielleicht Kakao gerochen?“

Die Socken zuckten erschrocken zusammen. „Kakao? Nein! Nur Waschmittel“, piepste die blaue Socke und versteckte sich hinter der roten.

„Hier riecht nichts nach Kakao“, bestätigte Barnaby und schloss die Schranktür wieder.

Der Duft war aber immer noch da. Vielleicht sogar ein bisschen stärker?

Leo ging zum Fenster. Der Mond hing groß und rund am Himmel. Aber er sah nicht silbrig aus wie sonst.

Er leuchtete in einem warmen, sanften Braunton. Fast wie… ja, fast wie eine Tasse Kakao.

„Barnaby, schau mal! Der Mond!“, flüsterte Leo.

Barnaby tapste neben ihn und blickte nach oben. „Du hast recht. Er sieht gemütlich aus heute.“

Und der Kakaoduft schien direkt vom Mond herunterzuwehen.

In diesem Moment löste sich etwas vom Mondstrahl. Etwas Kleines, Funkelndes, das langsam nach unten schwebte, wie eine Feder im Wind.

Es landete sanft auf der Fensterbank direkt vor ihnen.

Es war winzig, kaum größer als Leos Daumennagel. Es sah aus wie ein Schmetterling, aber seine Flügel schimmerten nicht bunt, sondern in allen erdenklichen Brauntönen und waren mit winzigen, glitzernden Punkten übersät, die aussahen wie Zuckerstreusel.

Und es roch intensiv nach dem herrlichsten Kakao.

Das kleine Wesen flatterte einmal auf und schwebte vor Leos Nase.

„Hallo!“, zirpte es mit einer Stimme, die klang wie das leise Klimpern von Teelöffeln in Tassen. „Ich bin ein Schokofünkchen!“

Leo und Barnaby klappte der Mund auf.

„Ein… was?“, stammelte Leo.

„Ein Schokofünkchen!“, wiederholte das Wesen fröhlich. „Wir kommen vom Mond, wenn er seine Kuschel-Kakao-Phase hat.“

„Der Mond hat eine Kakao-Phase?“, fragte Barnaby ungläubig.

„Aber ja!“, erklärte das Schokofünkchen. „Manchmal, wenn die Sterne besonders müde funkeln und die Nacht ein bisschen zu dunkel wirkt, dann macht der Mond es sich gemütlich. Er strahlt dann keine Kälte aus, sondern Wärme. Und er duftet nach Kakao, damit alle Kinder auf der Welt sich sicher fühlen und keine Angst im Dunkeln haben.“

Leo staunte. „Wow! Trinkt der Mond dann auch Kakao?“

Das Schokofünkchen kicherte. „Nicht direkt. Es ist mehr ein Gefühl. Ein Duft der Geborgenheit. Und wir Schokofünkchen helfen dabei. Wir verteilen feinsten, unsichtbaren Kakaostaub, der die Träume besonders süß und kuschelig macht.“

Es flatterte einmal um Leos Kopf und ein feiner, unsichtbarer Nebel schien sich auf ihn niederzulegen. Er fühlte sich plötzlich wunderbar schläfrig und warm.

„Wow“, murmelte Barnaby, der auch eine kleine Kakaostaub-Dusche abbekommen hatte und schon fast im Stehen einschlief.

„Macht ihr das jede Nacht?“, fragte Leo gähnend.

„Nur in den besonderen Kakao-Nächten“, zirpte das Schokofünkchen. „Aber jetzt husch, husch ins Bett mit euch! Die süßesten Träume warten schon.“

Das Schokofünkchen wirbelte noch einmal glitzernd durch die Luft und stieg dann langsam wieder am Mondstrahl empor, bis es nur noch ein winziger Punkt war.

Leo kletterte zurück ins Bett, Barnaby fest im Arm. Der Duft von warmem Kakao war immer noch da, aber jetzt war er wie eine weiche Decke, die ihn umhüllte.

Er schloss die Augen.

Keine Spur von Angst. Nur Wärme, Geborgenheit und der süße Duft von Kakao.

Er dachte an den kakao-farbenen Mond und das kleine Schokofünkchen.

Was für eine wunderbare Nacht.

Und als er einschlief, träumte er von einem Fluss aus flüssiger Schokolade, auf dem er mit Barnaby in einem Marshmallow-Boot fuhr, während lustige Kakaobohnen am Ufer winkten.

Manchmal, so dachte Leo kurz vor dem Einschlafen, ist die Dunkelheit voller süßer Geheimnisse.