Wenn die Schatten tanzen lernen

Wenn die Schatten tanzen lernen

Ein Junge bringt seinen tollpatschigen Zimmer-Schatten bei Nacht das Tanzen bei und verliert so die Angst vor der Dunkelheit. Eine lustige Story.

Finn lag in seinem Bett und blinzelte in die Dämmerung seines Zimmers.

Draußen war es schon dunkel, nur der Mond warf ein blasses Licht durch das Fenster, und die kleine Nachttischlampe neben seinem Bett summte leise vor sich hin.

An der Wand gegenüber tanzten Schatten.

Da war der Schatten seines großen Plüsch-Dinos Rexi, der aussah, als hätte er einen riesigen, zackigen Rückenpanzer.

Daneben der Schatten der Stehlampe, lang und dünn wie ein Storch auf einem Bein.

Und dann waren da noch die Schatten von den Bauklötzen auf dem Regal, die wie eine wackelige Burg aussahen.

Früher hatte Finn ein bisschen Angst vor den Schatten gehabt.

Sie sahen manchmal so komisch und fremd aus, ganz anders als die Dinge, zu denen sie gehörten.

Aber heute Abend war etwas anders.

Finn war nicht müde, überhaupt nicht.

Er beobachtete die Schatten ganz genau.

Der Dino-Schatten zitterte ein wenig, als würde Rexi frösteln.

Der Lampen-Schatten schwankte leicht hin und her, als könnte er sich nicht entscheiden, wo er stehen wollte.

Und die Schattenburg wackelte bedenklich, als würde sie gleich einstürzen.

Sie sahen gar nicht gruselig aus, dachte Finn.

Eher… unbeholfen.

Ein bisschen verloren.

Vielleicht sind sie ja gar nicht böse, überlegte er.

Vielleicht sind sie nur… schüchtern?

Oder langweilig?

Stellt euch vor, man ist ein Schatten und muss die ganze Nacht nur still an der Wand hängen. Das ist doch öde!

Ein Kichern entkam Finn.

Was wäre, wenn die Schatten gerne etwas anderes machen würden?

Tanzen vielleicht?

Finn setzte sich im Bett auf.

„Hallo?“, flüsterte er in Richtung Wand.

Die Schatten zuckten zusammen. Der Dino-Schatten duckte sich ein wenig, die Lampen-Schatten erstarrte, und die Schattenburg wackelte noch stärker.

„Keine Angst“, flüsterte Finn weiter. „Ich tue euch nichts.“

Er hob langsam eine Hand und winkte.

Der Dino-Schatten zögerte, dann hob er langsam einen zackigen Arm… oder was auch immer das war… und wackelte unbeholfen zurück.

Es sah unglaublich komisch aus, als würde ein Kaktus versuchen zu winken.

Finn musste wieder kichern.

„Seht ihr? Gar nicht schwer“, sagte er ermutigend.

„Wollt ihr vielleicht… tanzen lernen?“

Die Schatten rührten sich nicht. Sie schienen zu überlegen.

Finn überlegte auch. Wie bringt man Schatten das Tanzen bei?

Er begann, leise mit den Fingern auf seiner Bettdecke zu trommeln.

Tap-tap-tap.

Dann wackelte er mit den Zehen unter der Decke.

Die Schatten an der Wand blieben erst still.

Doch dann begann der Lampen-Schatten ganz leicht zu wippen. Nur ein kleines bisschen, kaum zu sehen.

„Ja, genau so!“, rief Finn leise.

Er machte eine kleine Welle mit seiner Hand.

Der Dino-Schatten versuchte es nachzumachen. Sein ganzer Körper schwabbelte dabei hin und her, und sein Kopf wackelte wie ein Wackeldackel.

Die Schattenburg versuchte sich auch zu bewegen, aber dabei purzelten ein paar ihrer Schattenklötze durcheinander. Plumps! Zumindest sah es so aus.

Finn lachte laut auf. Das war zu lustig!

„Okay, nächster Schritt!“, verkündete er.

Er klatschte leise in die Hände.

Klatsch! Klatsch!

Der Lampen-Schatten versuchte es auch. Er bog sich nach vorne und… klatsch? Nein, es sah eher aus, als würde er sich selbst auf den Kopf hauen. Ein Schatten-Platsch!

Der Dino-Schatten versuchte es mit seinen kurzen Armen, aber sie erreichten sich nicht. Er strampelte stattdessen auf der Stelle, was seine Zacken lustig wackeln ließ.

Die Schattenburg… nun ja, die blieb lieber ruhig, bevor sie ganz zusammenfiel.

„Ihr seid ja richtige Naturtalente!“, scherzte Finn.

Er stand vorsichtig im Bett auf und machte eine kleine Drehung.

„Und jetzt eine Pirouette!“

Die Schatten schienen beeindruckt.

Der Lampen-Schatten versuchte es als Erster. Er drehte sich… und drehte sich… und wurde dabei ganz dünn und lang, dann wieder kurz und breit, bis er aussah wie ein verdrehter Gummiknüppel. Er schien fast die Balance zu verlieren und gegen den Dino-Schatten zu kippen.

Der Dino-Schatten wich erschrocken zurück und stieß dabei gegen die Schattenburg, deren oberster Turm nun endgültig zu verschwinden schien.

Ein herrliches Durcheinander an der Wand!

Finn saß wieder auf seinem Bett und hielt sich den Bauch vor Lachen.

Die Schatten waren gar nicht gruselig. Sie waren lustig! Ungeschickt, aber lustig.

Sie waren wie er, wenn er versuchte, auf einem Bein zu balancieren oder einen komplizierten Tanzschritt nachzumachen.

Er fühlte sich ihnen plötzlich ganz nah.

„Ihr seid die besten Schattentänzer der Welt!“, rief er ihnen zu.

Die Schatten schienen sich zu freuen. Der Dino-Schatten machte etwas, das wie ein kleiner Hüpfer aussah. Der Lampen-Schatten verbeugte sich unbeholfen.

Finn gähnte. Das Tanzen und Lachen hatte ihn doch müde gemacht.

„Okay, Freunde“, sagte er leise. „Ich glaube, für heute ist die Tanzstunde vorbei. Ich muss schlafen.“

Er legte sich wieder hin und kuschelte sich unter die Decke.

„Könnt ihr jetzt ganz ruhig sein? Wie schlafende Schatten?“

Er schloss die Augen und machte es ihnen vor: ganz still liegen, tief durchatmen.

Als er nach einer Weile blinzelte, sah er, dass die Schatten sich beruhigt hatten.

Der Dino-Schatten stand wieder ruhig da, vielleicht ein bisschen weniger zackig als zuvor.

Der Lampen-Schatten stand gerade und still.

Und die Schattenburg sah wieder fast normal aus, nur ein kleiner Klotz schien noch zu fehlen.

Sie sahen friedlich aus.

Finn lächelte.

Er hatte keine Angst mehr.

Die Schatten waren seine Freunde geworden, seine lustigen, tollpatschigen Tanzschüler.

Vielleicht würden sie morgen Abend wieder tanzen.

Mit diesem Gedanken schlief Finn ein, und in seinen Träumen tanzte er mit einem wackeligen Dino, einer sich verbeugenden Lampe und einer lachenden Burg aus Schatten.

Und die Dunkelheit war gar nicht mehr dunkel, sondern voller heimlicher, lustiger Möglichkeiten.