
Ein kleiner Junge kann nicht schlafen, weil Papas Schnarchen wie ein Traktor klingt! Eine lustige Geschichte über Lärm, Fantasie und Abenteuer.
Dunkel war es im Zimmer, nur der Mond malte einen silbrigen Streifen auf den Teppich.
Eigentlich war es die perfekte Zeit zum Schlafen.
Kuschelig warm unter der Decke, sein liebster Stoffhase, Hoppel, im Arm.
Aber Leo konnte nicht einschlafen.
Und Schuld daran war… Papa.
Genauer gesagt: Papas Nase.
Denn aus dem Schlafzimmer nebenan drang ein Geräusch, das so laut war, dass Leos Ohren fast wackelten.
CHRRRROOOONK… PFFFIIII… CHRRRROOOONK… PFFFIIII…
Papa schnarchte.
Aber nicht einfach nur ein bisschen.
Nein, Papas Schnarchen war… episch.
Es klang nicht wie ein sanftes Säuseln.
Es klang wie… wie ein alter Traktor, der versuchte, einen steilen Berg hochzufahren.
CHRRRROOOONK! (Das war der Motor, der stotterte.)
PFFFIIII! (Das war der Auspuff, der qualmte.)
Leo kicherte leise in sein Kissen.
Manchmal klang es auch wie ein Bär, der Winterschlaf hielt und dabei von einem Honigtopf träumte, der einfach nicht aufgehen wollte.
Ein tiefes, grummeliges GRRRRUMMMMM.
Oder wie ein kleines Gewitter, das direkt in Papas Nasenloch tobte.
Ein Rumpeln und Grollen, das die Wände zum Vibrieren brachte.
Leo stupste Hoppel an. „Hörst du das, Hoppel? Papa startet wieder seinen Rasenmäher.“
Hoppel sagte nichts, aber Leo war sicher, dass er zustimmend mit den Ohren wackelte.
Woher kam nur dieses Geräusch?
Leo wurde neugierig.
Er stellte sich vor, wie es wohl in Papas Nase aussah.
Vielleicht wohnte da ein winzig kleiner Zwerg mit einem riesigen Blasebalg?
Immer wenn Papa einatmete, pumpte der Zwerg kräftig Luft hinein (CHRRRROOOONK!).
Und beim Ausatmen ließ er die Luft pfeifend entweichen (PFFFIIII!).
Der Zwerg trug bestimmt eine Latzhose und eine winzige Bergmannslampe auf dem Kopf.
Oder vielleicht war es gar kein Zwerg.
Vielleicht saß da ein winziges Orchester?
Mit Pauken und Trompeten?
Die Pauke machte GRRRRUMMMMM.
Die Trompete machte PFFFIIII.
Und der Dirigent, ein Floh mit Frack und Taktstock, wedelte wild herum, damit auch ja niemand einschlief.
Außer Papa natürlich. Der schlief tief und fest.
Leo musste wieder kichern.
Aber das laute Geräusch störte trotzdem.
Er wollte doch schlafen!
Vorsichtig schlich Leo aus seinem Bett.
Auf Zehenspitzen tappte er zur Tür.
Er spähte durch den Spalt ins elterliche Schlafzimmer.
Mama schlief ganz ruhig auf ihrer Seite.
Papa lag auf dem Rücken, den Mund leicht geöffnet, und produzierte sein Traktor-Bär-Gewitter-Konzert.
CHRRRROOOONK… PFFFIIII…
Was konnte man da nur tun?
Leo überlegte.
Er könnte Papa an der Nase kitzeln?
Nein, das wäre gemein. Und vielleicht würde Papa dann noch lauter schnarchen!
Er könnte ihm leise ins Ohr flüstern: „Pssst, Papa, leiser!“
Leo schlich näher ans Bett heran.
Er beugte sich vorsichtig zu Papas Ohr.
„Pssst“, flüsterte er so leise er konnte.
Papa grummelte nur kurz im Schlaf und drehte den Kopf zur anderen Seite.
Das Schnarchen wurde… anders.
Nicht leiser. Nur anders.
Jetzt klang es wie eine rostige Säge, die versuchte, einen dicken Baumstamm zu durchtrennen.
RRRRÄTSCH… CHRRRR… RRRRÄTSCH… CHRRRR…
„Och nö“, murmelte Leo. Das war ja noch schlimmer!
Er schlich zurück in sein Zimmer und kuschelte sich wieder unter die Decke.
Hoppel schien auch nicht begeistert zu sein.
Leo seufzte.
Da ging leise die Tür auf und Mama stand im Rahmen.
„Kannst du nicht schlafen, mein Schatz?“, flüsterte sie.
Leo nickte und zeigte mit dem Finger Richtung Nebenzimmer. „Papas Traktor ist zu laut.“
Mama lächelte verständnisvoll. Sie kam zu seinem Bett und setzte sich auf die Kante.
„Ja, Papa ist heute wieder ein kleiner Holzfäller, was?“
Leo kicherte. „Oder ein Bär. Oder ein Gewitter.“
„Manchmal, wenn die Luft nicht so gut durch die Nase oder den Hals fließen kann, wenn man schläft, dann fangen die Teile da drin an zu flattern“, erklärte Mama leise. „Und das macht dann dieses Geräusch.“
„Flatternde Teile?“, fragte Leo erstaunt. „Wie kleine Fähnchen?“
„So ähnlich“, sagte Mama. „Aber es ist nichts Schlimmes. Papa merkt das gar nicht.“
„Aber ICH merke es!“, sagte Leo und zog eine Schnute.
Mama strich ihm über die Haare. „Ich weiß. Aber weißt du was? Manchmal hilft es, wenn man sich das Geräusch ganz anders vorstellt.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, statt an einen lauten Traktor oder eine Säge, denk doch mal an etwas Schönes. Etwas Gemütliches.“
Leo überlegte. Etwas Gemütliches, das so klingt?
„Vielleicht… vielleicht ist es gar kein Traktor“, sagte Mama. „Vielleicht ist es der Motor eines großen Raumschiffs, das dich auf eine Reise zu den Sternen mitnimmt?“
CHRRRROOOONK… PFFFIIII…
Leo schloss die Augen.
Ein Raumschiff?
CHRRRROOOONK… Das war der Start. Die Raketen zündeten.
PFFFIIII… Das war das leise Summen der Maschinen, als sie durchs All schwebten.
Das klang schon besser.
„Oder“, flüsterte Mama weiter, „vielleicht ist es gar kein Bär, der grummelt. Vielleicht ist es ein riesengroßer, kuscheliger Drache, der neben deinem Bett liegt und schnurrt, weil er dich beschützt?“
GRRRRUMMMMM…
Ein Drache? Ein freundlicher Drache?
Leo stellte sich einen großen, grünen Drachen vor, mit Schuppen, die im Mondlicht schimmerten. Er lag zusammengerollt auf dem Teppich und sein tiefes Schnurren war wie eine warme Decke.
GRRRRUMMMMM…
Das war eigentlich ganz gemütlich.
„Oder“, sagte Mama noch leiser, „vielleicht ist es das Schnurren einer riesigen, flauschigen Weltraum-Katze, die auf einer Wolke schläft?“
RRRRÄTSCH… CHRRRR…
Okay, das mit der Säge war schwieriger.
Aber vielleicht… vielleicht war das das Geräusch von Sternenstaub, der auf das Raumschiff prasselte?
Oder das Knistern eines gemütlichen Lagerfeuers auf einem fernen Planeten, den er mit dem Drachen besuchte?
Leo merkte, wie seine Augenlider schwer wurden.
Das Raumschiff flog.
Der Drache schnurrte.
Das Lagerfeuer knisterte.
CHRRRROOOONK… GRRRRUMMMMM… RRRRÄTSCH…
Die Geräusche waren immer noch da.
Aber sie waren nicht mehr nur laut und störend.
Sie waren jetzt Teil einer Geschichte.
Seiner Geschichte.
Mama gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Versuch zu schlafen, mein kleiner Abenteurer.“
Sie schlich leise aus dem Zimmer.
Leo kuschelte sich tiefer in sein Kissen.
Das Raumschiff flog immer weiter, vorbei an funkelnden Planeten.
Der Drache atmete warmen Rauch aus, der wie Glühwürmchen tanzte.
Das Feuer knackte und wärmte ihn.
Und Papas Schnarchen?
Das war jetzt der Soundtrack zu seinem Traum.
Ein bisschen laut, ja.
Aber irgendwie auch… beruhigend.
Wie ein Motor, der ihn sicher durch die Nacht brachte.
CHRRRROOOONK… PFFFIIII… GRRRRUMMMMM…
Leo lächelte im Schlaf.
Am nächsten Morgen saßen alle am Frühstückstisch.
Papa rieb sich verschlafen die Augen. „Guten Morgen! Gut geschlafen?“
Leo grinste breit. „Ja! Ich war auf einem Abenteuer!“
„Oh? Wo denn?“, fragte Papa neugierig und biss in sein Brötchen.
„Ich bin mit einem Raumschiff geflogen und habe einen schnurrenden Drachen getroffen!“, erzählte Leo aufgeregt.
Mama zwinkerte ihm zu.
„Ein Raumschiff und ein Drache?“, fragte Papa verwirrt.
„Ja!“, sagte Leo. „Und dein Schnarchen war der Motor vom Raumschiff!“
Papa verschluckte sich fast an seinem Brötchen. Er wurde ein bisschen rot um die Nase.
„Oh. Äh… hab ich wirklich so laut geschnarcht?“
Mama und Leo kicherten.
„Ein bisschen“, sagte Mama diplomatisch. „Wie ein Traktor, der einen Berg hochfährt.“
„Oder wie eine Säge!“, fügte Leo hinzu.
Papa seufzte, aber dann musste er auch lachen. „Na gut. Wenn mein Schnarchen dich wenigstens zu den Sternen bringt, dann hat es ja doch was Gutes.“
Leo nickte eifrig. „Ja! Heute Nacht fliege ich vielleicht zum Mars!“
Papa lachte wieder. „Na dann muss ich mich ja anstrengen, damit der Motor nicht ausgeht!“
Und während sie weiter frühstückten, dachte Leo, dass Papas Schnarchen vielleicht gar nicht so schlimm war.
Manchmal brauchte man eben nur ein bisschen Fantasie, um aus einem lauten Geräusch das tollste Abenteuer zu machen.
Und einen schnurrenden Drachen als Freund. Das war sowieso das Beste.