Die Nudel Nina schlängelt sich ins Traumland

Die Nudel Nina schlängelt sich ins Traumland

Eine neugierige Nudel namens Nina erlebt ein großes Abenteuer auf dem Küchenboden und sucht das legendäre Soßenland. Eine witzige Gute-Nacht-Geschichte.

Nina war keine gewöhnliche Nudel.

Oh nein, sie war eine Fusilli, eine von diesen lustigen Spiralnudeln, die aussehen, als hätten sie einen kleinen Drehwurm im Kopf.

Und genau das hatte Nina auch – einen Kopf voller verrückter Ideen.

Sie lag auf einem großen, weißen Teller, umgeben von ihren Brüdern und Schwestern, alle brav in einer leckeren Tomatensoße gebadet.

Aber Nina fand das langweilig.

Immer nur Teller, Gabel, Mund? Das konnte doch nicht alles sein!

„Psst“, flüsterte sie der Nudel neben ihr zu, die aussah wie ein kleines Röhrchen. „Rigatoni Roberto, hast du schon mal von Soßenland gehört?“

Roberto blinzelte träge durch einen Soßenspritzer. „Soßenland? Ist das nicht da, wo die Gabeln herkommen?“

Nina seufzte. Keiner verstand sie.

Sie wollte Abenteuer! Sie wollte die Welt sehen, die hinter dem Tellerrand begann.

Plötzlich gab es einen Ruck.

Eine riesige Gabel, glänzend und bedrohlich, schwebte über ihnen.

Sie piekste Roberto auf. „Mach’s gut!“, rief Nina ihm noch hinterher, aber er war schon auf dem Weg in den großen, dunklen Mund eines kleinen Menschen.

Nina drückte sich tiefer in die Soße. Das war ihre Chance!

Als die Gabel das nächste Mal kam, rollte sich Nina blitzschnell zur Seite.

Sie kullerte über den glatten Tellerrand und… platsch!

Sie landete auf dem Holzboden.

Uff! Das war härter als erwartet.

Die Welt hier unten roch anders. Nicht nach Tomatensoße, sondern nach… Staub und Abenteuer!

„Hallo?“, piepste Nina unsicher.

Ein graues, flauschiges Etwas rollte langsam auf sie zu.

Es hatte keine Augen, aber Nina spürte, dass es sie ansah.

„Wer bist du denn?“, fragte das Flausche-Ding mit einer staubigen Stimme.

„Ich bin Nina. Eine Nudel. Und wer bist du?“

„Ich bin Wolle Wonka, der Staubmäuserich. Ich wohne hier unter dem Sofa.“

Eine Staubmaus! Nina hatte noch nie eine Staubmaus getroffen.

„Suchst du was?“, fragte Wolle Wonka.

„Ja!“, sagte Nina aufgeregt. „Ich suche Soßenland! Weißt du, wo das ist?“

Wolle Wonka kratzte sich am nicht vorhandenen Kopf. „Soßenland? Klingt klebrig. Nee, kenn ich nicht. Aber ich kenne den Weg zum Großen Stuhlbein-Wald.“

Das klang auch aufregend!

„Kannst du mich hinbringen?“, fragte Nina.

„Klar doch. Aber wie willst du laufen? Du hast ja keine Füße.“

Nina überlegte. Sie krümmte sich, streckte sich, versuchte zu hüpfen, aber sie kam kaum vom Fleck.

„Ich hab’s!“, rief Wolle Wonka. „Du rollst dich einfach an mich dran!“

Gesagt, getan. Nina schmiegte sich an die flauschige Staubmaus, und gemeinsam rollten sie los.

Es war eine holprige Reise.

Sie rollten vorbei an riesigen Tischbeinen, die wie Baumstämme aussahen.

Sie überquerten eine glänzende Fläche, die Wolle Wonka „die gefährliche Pfütze des vergossenen Apfelsafts“ nannte.

Plötzlich hörten sie ein lautes Brummen.

Der Boden vibrierte.

„Oh nein!“, keuchte Wolle Wonka. „Das Staubsaugermonster! Schnell, verstecken!“

Sie hechteten hinter einen riesigen Pantoffel, der wie eine Höhle roch.

Ein gewaltiger Schlauch schnüffelte über den Boden, saugte alles auf, was ihm in den Weg kam.

Nina hielt die Luft an. Das war ja spannender als jede Gabelattacke!

Als das Brummen leiser wurde, wagten sie sich wieder hervor.

„Puh, das war knapp“, sagte Wolle Wonka.

Sie erreichten den Stuhlbein-Wald. Die Stuhlbeine ragten hoch über ihnen auf.

„Hier muss ich leider umkehren“, sagte die Staubmaus. „Pass auf dich auf, kleine Nudel.“

„Danke, Wolle Wonka! Du bist der beste Staubmäuserich der Welt!“

Nina war nun allein.

Sie schlängelte sich langsam weiter.

Sie traf eine verlorene Erbse namens Erwin, die aus einer Dose gefallen war und nun ihre Familie suchte.

Sie half einem glänzenden Knopf namens Konrad, der von einem Hemd gefallen war, sich unter einem Teppich zu verstecken, damit das Staubsaugermonster ihn nicht fand.

Langsam wurde Nina müde.

Ihre Spiralen fühlten sich ganz schlaff an.

Sie kroch unter den Spalt einer Tür hindurch und fand sich plötzlich an einem ganz neuen Ort wieder.

Es roch nach Gras und Erde.

Über ihr funkelten kleine Lichter am Himmel.

Sterne!

Und da, in einer Ecke, stand ein kleiner Topf.

Und in dem Topf… war rote Soße!

Nicht viel, nur ein kleiner Rest, aber er duftete herrlich.

„Soßenland!“, flüsterte Nina glücklich.

Sie hatte es vielleicht nicht ganz bis ins legendäre Soßenland geschafft, aber dieser kleine Topf war ihr ganz persönliches Soßen-Paradies.

Müde, aber zufrieden, kuschelte sich Nina an den Rand des Topfes.

Sie war nicht mehr nur eine Nudel auf einem Teller.

Sie war Nina, die Abenteurer-Nudel, die die Welt jenseits des Tellerrands gesehen hatte.

Sie schloss die Augen.

Sie träumte von Staubmäusen, Stuhlbein-Wäldern und dem aufregenden Brummen des Staubsaugermonsters.

Und natürlich träumte sie von Soßenland, einem wunderbaren Ort, an dem alle Nudeln glücklich und abenteuerlustig sein durften.

Und während Nina schlief, wusste sie: Morgen würde ein neuer Tag voller Möglichkeiten beginnen.

Vielleicht würde sie Erwin helfen, seine Erbsenfamilie zu finden.

Oder mit Konrad, dem Knopf, nach neuen Verstecken suchen.

Die Welt war groß und voller Wunder, selbst für eine kleine Spiralnudel.

Schlängel dich schön in deine Träume, kleine Nudel, dachte sie noch, bevor sie tief und fest einschlief.

Elara Becker

Elara Becker

Mit einem Abschluss in Literaturwissenschaften und einer Vorliebe für atmosphärische Sprache vereint Elara Becker bei Glückstext zarte Bedtime-Stories mit surrealer Fantasie und Gänsehautmomenten. Ihre Geschichten spenden Trost – und wecken das Unheimliche im Alltag. Mehr über sie.